pop„Internationale Beziehungen“ ist nicht irgendein Teilbereich der Politikwissenschaften, sondern derjenige, der sich unter den Studierenden größter Beliebtheit erfreut, der globale politische Entwicklung betrachtet, das politische Verhältnis der Staaten untereinander analysiert und tagesaktuelle Prozesse wissenschaftlich erläutert. Als Professor für Internationale Beziehungen in Marburg ist Hubert Zimmermann ein ausgewiesener Experte für sämtliche Fragen der globalen Außenpolitik, der Außenbeziehungen und des politischen Weltgeschehens. Auf Grundlage seiner langjährigen Erfahrung in In- und Ausland, in Forschung und Lehre legt er gemeinsam mit Milena Elsinger ein neues, hilfreiches und anwendungsbezogenes Einführungswerk zu den „Internationalen Beziehungen“ vor.
Was ist das Anliegen Ihres Buches?
Das Buch soll eine Einführung in das spannende und beliebte Teilgebiet der Internationalen Beziehungen sein, von dem sowohl Studierende als auch Lehrende profitieren können. Wir wollen ein Grundlagenwerk für die universitäre Lehre im Bereich der Internationalen Beziehungen anbieten, welches inhaltlich und didaktisch auf dem neuesten Stand ist und welches den Hintergrund und die Wissenshorizonte heutiger Studierender reflektiert. Dabei soll insbesondere ein Verständnis für grundlegende Fragestellungen und Probleme im Politikfeld der Internationalen Beziehungen sowie für eine über die reine Anhäufung von Fakten hinausreichende Methodik bei der Beschäftigung mit Phänomenen der internationalen Politik geweckt werden. Nutzer_innen des Buches sollen befähigt werden, wiederkehrende Fragestellungen, grundlegende Strukturen und fundamentale Dynamiken internationaler Beziehungen zu identifizieren. Sie sollen so in die Lage versetzt werden, sich kritisch und reflektiert mit tagesaktuellen Geschehnissen auseinanderzusetzen und diese politikwissenschaftlich zu verorten.
In welcher Hinsicht unterscheidet sich Ihr Buch von anderen, bereits erschienenen zu dieser Thematik und was ermöglicht die Lektüre?
Das Buch legt einen Fokus auf die konkrete Anwendung theoretischen Wissens. Hierbei werden immer wieder tagesaktuelle Fallbeispiele genutzt, um dieses Wissen möglichst benutzerfreundlich und verständlich anwenden zu können. Das Teilgebiet der Internationalen Beziehungen hat üblicherweise die höchste Nachfrage in politikwissenschaftlichen Studiengängen. Die vorhandenen Lehrbücher weisen aber meist einen für heutige Studierende zu akademischen und abstrakten Zuschnitt auf. Zudem fehlt es oft an anschaulichen Anwendungsbeispielen. In diesem Lehrbuch sollen die grundlegenden Ansätze und Konzepte, die in der Disziplin benutzt werden und die hinter den gängigen Interpretationen der internationalen Geschehnisse stehen, anhand von zahlreichen Fallbeispielen und tagesaktuellen Problematiken der internationalen Beziehungen veranschaulicht werden. Im zweiten Teil des Buches werden die wichtigsten Themenfelder und Problembereiche der internationalen Politik dargestellt.
In welcher Hinsicht grenzen sich „Internationale Beziehungen“ von „Außenpolitik“ und „internationaler Diplomatie“ ab?
Mit internationale Beziehungen sind die grenzüberschreitenden Interaktionen politischer Akteure gemeint, wohingegen die Außenpolitik die nach außen gerichtete Politik von Staaten bedeutet, die durch eine Vielzahl von Akteuren innerhalb eines Landes gestaltet wird. Bei den internationalen Beziehungen liegt also der Hauptfokus auf dem internationalen System, während bei der Außenpolitik vor allem das politische System des betreffenden Landes betrachtet wird. Internationale Diplomatie bezeichnet vor allem die offiziellen, von allgemein akzeptierten Regeln und Konventionen beherrschten, Kontakte zwischen Regierungen und ihren Vertretern.
Zu den in Ihrer Publikation vorgestellten Themenfeldern der internationalen Beziehungen gehören unter anderem Internationale politische Ökonomie, internationale Sicherheit, Umweltschutz oder Menschenrechte. Welchem Themenfeld der internationalen Beziehungen kommt derzeit weltweit die größte Relevanz zu?
Das hängt immer von den Konjunkturen der Weltpolitik und den sich entwickelnden Problemlagen ab. Existenziell für die Menschheit sind aber sicher die internationale Sicherheitspolitik und die globale Umweltpolitik.
Copyright: Zimmermann/Elsinger, Grundlagen der Internationalen Beziehungen (Kohlhammer, 2019)
Betrachten wir aktuelle, schwierige politische Entwicklungen im Ausland: Machen sie internationale Beziehungen wichtiger denn je? Oder zeigen sie das Scheitern internationaler Beziehungen?
Die internationalen Beziehungen können nicht scheitern; sie können nur mehr oder weniger kooperativ ablaufen. Derzeit ist die Kooperationsbereitschaft insgesamt sicher an einem relativ niedrigen Punkt, insbesondere im Vergleich mit den großen Hoffnungen nach dem Ende des Kalten Kriegs auf eine friedlichere Zukunft, und gemessen an den immer größeren Herausforderungen, die internationale Lösungen erfordern. Die Hoffnungen, dass diese Herausforderungen die nötige Zusammenarbeit erzwingen, sind bescheiden. Dazu sind die Eigendynamiken staatlich organisierter Gesellschaften viel zu stark und die Bindungswirkung internationaler Institutionen, die ja durchaus in ausreichender Zahl existieren, zu schwach.
Werden die internationalen Beziehungen in der politischen Praxis zunehmend an Bedeutung gewinnen oder stehen etwa Brexit oder Wahlerfolge populistischer Parteien vielmehr für ein Anwachsen national bezogener Politik?
Der globale Populismus ist ja im Wesentlichen auch eine Reaktion gegen eine kosmopolitische Elite, die von der Globalisierung und ihrer Folgewirkungen, von globalen Finanzströmen bis zu weltweiter Migration, profitiert. In diesem Sinne steht er sicher für eine gewisse Rückkehr zum Nationalen. Diese Rückkehr wird allerdings nur in einem geringen Ausmaß möglich sein; dafür sind die globalen Verflechtungen in Politik, Wirtschaft und Kultur, und auch die mediale Vernetzung zu weit fortgeschritten.
Ich danke Ihnen für Ihre Mühe und Zeit.
Das Interview führte Dr. Peter Kritzinger.
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